Offen­er Brief an Her­rn Dr. Christoph Dit­trich, Gen­er­al­in­ten­dant Städtis­che The­ater Chemnitz

Chem­nitz, den 2025-12-04

Sehr geehrter Herr Dr. Christoph Dit­trich,

 

ich danke Ihnen sehr her­zlich für über 6 Jahre Zusam­me­nar­beit im Auf­sicht­srat (seit 2019). Eine sehr inten­sive Zusam­me­nar­beit, mit vie­len sehr stre­it­baren The­men, dies in wirtschaftlich schwieri­gen Zeit­en, aber immer mit sehr kon­struk­tiv­en Debat­ten zwis­chen uns bei­den. So habe ich mit Ihnen gerne debat­tiert. So auch mit meinen schw­eren Bedenken zum dro­hen­den Ver­lust unseres denkmals­geschützten Schaus­piel­haus­es, mit meinen bzw. unseren  Ein­las­sun­gen zum „Quo vadis Schaus­piel­haus Chem­nitz im Kul­turhaupt­stadt­jahr 2025“, siehe unsere Frak­tion­serk­lärung /Brief mit unserem Bau­ex­perten und Stad­trat Rein­er Drechsel, zum „Offe­nen Brief des BdA — Bund der Architek­ten“, zu unser­er Besich­ti­gung Schaus­piel­haus vom 7. August 2025, zu über „700 % Kosten­steigerun­gen auf 34 Mio €“ zur Ertüch­ti­gung, zu den über 12 ver­lore­nen Jahren für das Schaus­piel­haus… Im Mai 2025 sollte als ein­er der Höhep­unk­te der Kul­turhaupt­stadt unser Schaus­piel­haus wieder­eröffnet wer­den! Diese Pla­nung und das Ver­sprechen (Baubürg­er­meis­ter Stötzer) wur­den nicht gehal­ten! Von ein­er Real­isierung sind wir jet­zt „Licht­jahre“ ent­fer­nt. Ich sehe die große Gefahr, dass wed­er unser altes Schaus­piel­haus jemals ertüchtigt wer­den wird, noch der jet­zt (neu) angedachte Neubau am Spinnbau (u.a. falsch­er Stan­dort m.E.)!!!

 

Beru­flich berate ich mit mein­er Wirtschafts­ber­atung unseren säch­sis­chen Klein- und Mit­tel­stand seit über 25 Jahren betrieb­swirtschaftlich. Deswe­gen lagen mir in mein­er Tätigkeit als Auf­sicht­srat die betrieb­swirtschaftlichen Belange unseres Chem­nitzer The­aters sehr am Herzen. Das Chem­nitzer The­ater erhält jedes Jahr über 36 Mil­lio­nen an Sub­ven­tio­nen und erwirtschaftet dabei seit mehreren Jahren Ver­luste. Dies in ein­er Zeit, wo in unser­er Stadt ein Defiz­it von cir­ca 150 Mio schon beste­ht, in der Stadtver­wal­tung seit März 2025 eine Haushaltssperre beste­ht und eine neue Haushaltssperre für Jan. 2026 schon angekündigt wor­den ist! Für die Jahre 2027 — 2029 ist jew­eils ein Ergeb­nis zwis­chen ‑2,3 Mil­lio­nen € bis ‑3,5 Mil­lio­nen € zu erwarten. D.h. für diese drei Jahre cir­ca 9–10 Mio Ver­luste. Und aus­gerech­net in den zwei Jahren dazwis­chen, 2025 und 2026, soll als Betrieb­sergeb­nis jew­eils eine Null ste­hen? Wie passt das zusam­men? Nach meinem Ken­nt­nis­stand gibt es außer­dem eine mögliche Insol­ven­zge­fahr durch mögliche Liq­uid­ität­sprob­leme, siehe die Veröf­fentlichun­gen in der FP, der MoPo und anderen Medi­en? Eine der Über­schriften war z.B. „Dro­ht den Chem­nitzer The­atern im Kul­turhaupt­stadt­jahr die Insol­venz?“ (Blick); bzw. “Aus­gerech­net im Kul­turhaupt­stadt­jahr dro­ht dem städtis­chen The­ater­be­trieb die Pleite”, schrieb die Freie Presse über die Finanzkrise am The­ater Chem­nitz. Diese The­men waren in der Presse von Chem­nitz und Sach­sen seit 2023 und m.E. hat sich die darin beschriebene Prob­lematik noch weit­er verschärft!

 

Wie real­is­tisch sind außer­dem die Sub­ven­tio­nen für die näch­sten 5 Jahre? Diese sollen von über 36 Mio € auf jährlich bis 40 Mio € steigen = Kap­i­talbe­darf ca. 190 Mio € (ohne Inves­tio­nen für das Schaus­piel­haus und ohne die Sanierungskosten für das Opern­haus!). In unserem @SachsenKanal habe ich dazu über das Schaus­piel­haus (bis jet­zt) 4 Videos veröf­fentlicht, mit der fach­lichen Exper­tise unseres Bau­ex­perten und Stad­trats Rein­er Drech­sel:

https://www.youtube.com/watch?v=Cgo1fU_paDY

https://www.youtube.com/watch?v=HvxQXr83EcE

https://www.youtube.com/watch?v=HliODIDjh_o

https://www.youtube.com/watch?v=CicRJUh_aQE

 

Und genau mit diesen wirtschaftlichen Gemen­ge­la­gen habe ich als erfol­gre­ich­er Wirtschafts­ber­ater schon ein Prob­lem… Und als solch­er muss ich hier­mit Bedenken anmelden. Und als Chem­nitzer, Vater und Groß­vater, sehe ich dieses Defiz­it, ver­stärkt noch durch die finanziellen Defizite unser­er Stadt, als große Gefahr für die Zukun­ft unser­er Kinder und Enkel unser­er Stadt, Chem­nitz! Mit dieser Wirtschaft­s­pla­nung war und bin ich als jet­zt ehe­ma­liger Auf­sicht­srat nicht ein­ver­standen. M.E. ist außer­dem ein neues The­aterkonzept erforderlich!

 

Ich war jet­zt bere­its im sieben­ten Jahr Auf­sicht­srat im Städtis­chen The­ater Chem­nitz und seit über 60 Jahren bin ich ein großer The­ater­fre­und. Ich habe den Nieder­brand des Schaus­piel­haus­es Karl-Marx-Stadt am 5. Mai 1976 miter­lebt, dies aus näch­ster Nähe. Ich habe den Wieder­auf­bau des Schaus­piel­haus­es mit der Wieder­eröff­nung 1980 miter­lebt. Und ich habe die Inter­imsspiel­stät­ten in der Stadthalle Karl-Marx-Stadt mit dem großen und kleinen Saal miter­lebt und den großar­ti­gen Schaus­piel­er Matthias Gün­ther bei seinem Tanz auf dem Birn­baum. Ich liebe das Brecht-Weill-The­ater und die großar­tig­ste Zeit hat­te ich aus­gerech­net in der Bleier­nen DDR-Zeit mit den wun­der­baren Insze­nierun­gen im Schaus­piel­haus Karl-Marx-Stadt in den achtziger Jahren, für mich das damals fortschrit­tlich­ste in der DDR. Über einen lan­gen Zeitraum waren wirk­lich großar­tige DDR-Schaus­piel­er an unser­er Bühne, hier in Karl-Marx-Stadt, später in Chemnitz:

Ulrich Mühe, Uwe Kock­isch, Andre’ Henecke, Micha Gwis­dek, Corin­na Har­fourch, Jut­ta Wachowiak, Inge Keller, Rain­er Simon, Egon Gün­ther, Matthias Gün­ther, Kat­ja Pary­la, Bern­hard Gef­fke, Chris­t­ian Grashof, Jörg Gudzuhn, “unser” Orig­i­nal Heinz Hupfer, Gerd Preusche, Wolf­gang Sörgel, Johan­na Schall, Alfred Struwe, Diet­mar Terne, Andreas Schmidt-Schaller, u.v.a.m.!

 

In unserem wun­der­schö­nen Opern­haus habe ich so viele schöne Insze­nierun­gen erlebt, Opern, Operetten, Sin­foniekonz­erte, alleine die Carmi­na Burana 3 Mal, viele tolle Musi­cals. Und im Kul­turhaupt­stadt-Jahr freute ich mich beson­ders auf die Insze­nierung von Bräunig‘s (Chem­nitzer Schrift­steller!) Rum­melplatz. Und diese Freude wurde weit übertrof­fen! Für meine Frau Stef­fi und mich war das eine, nein die Stern­stunde mit Pre­miere & Wel­tur­auf­führung Rum­melplatz nach dem Nachkriegsro­man des Chem­nitzer Schrift­stellers Wern­er Bräu­nig. Hier unser klein­er Film in unserem @SachsenKanal dazu als Würdi­gung: Stern­stunde Rum­melplatz: Pre­miere & Wel­tur­auf­führung Nachkriegsro­man des Chem­nitzers Wern­er Bräu­nig https://youtu.be/lu440DhrDV4

 

Wir hat­ten bei und mit Ihnen außer­dem ein ganz wun­der­bares Fes­tkonz­ert aus Anlass des zwanzigjähri­gen Jubiläums der Rudolf-Kempe-Akademie. Unser sehr her­zlich­er Dank geht an Sie und Her­rn Hart­mut Schill (Leit­er Rudolf-Kempe-Akademie), die ehe­ma­li­gen Mit­glieder der Rudolf- Kempe- Akademie und die Musik­ern der Robert-Schu­mann-Phil­har­monie Chem­nitz. Sie haben auch sehr passende Worte auf der Bühne gefun­den und ein tre­f­flich­es Inter­view mit Her­rn Hart­mut Schill geführt. Die Geschichte von Her­rn Rudolf Kempe ken­nen wir bere­its seit Jahrzehn­ten, aber die Bilder und Texte der Ausstel­lung im Opern­haus haben uns doch sehr berührt. Lei­der kon­nten meine Eltern nicht dabei sein aus gesund­heitlichen Grün­den, ihr vor­erst let­ztes Konz­ert im 90. Leben­s­jahr war erst zum Jahreswech­sel 2025. Ich darf Sie her­zlich von meinen bei­den Eltern grüßen. Meine Eltern haben mich zeit­ig an die Musik herange­führt und wie ich Ihnen schon per­sön­lich erzählt habe, bin ich Stam­m­gast im Opern­haus seit 1964…

 

Was ich Ihnen noch nicht erzählt hat­te, ist, dass auch Mit­glieder mein­er Fam­i­lie Kün­stler waren im Opern­haus Chem­nitz, bzw. hier gear­beit­et haben. So mein Groß­vater Hel­muth List… Mein Großonkel (Brud­er mein­er Groß­mut­ter Erna List, geb. Schmidt) war Opern­sänger im Opern­haus Chem­nitz, später in Berlin, doch das ist eine andere Geschichte (die in meinem Buch „Meine wun­der­baren Jahre von Chem­nitz“, Bd. 2), ste­hen wird. Mein vorheriges Buch „Meine wun­der­baren Jahre von Karl-Marx-Stadt“ haben Sie ja schon. Es han­delt sich um Opern­sänger Rudolf Schmidt, geboren 22.01.1901, ver­stor­ben 14.08.1940 im Marinelazarett Emden, beerdigt auf einem Helden­fried­hof in Nord­deutsch­land. Der Grab­stein ist noch vorhan­den, erst ver­gan­ge­nes Jahr habe ich diesen gefun­den. Und mein Großonkel ‑Opern­sänger Rudolf Schmidt- war ein sehr guter Fre­und vom bekan­ntesten Opern­sänger unser­er Stadt: Richard Tauber, der auch in Berlin gesun­gen hat.

 

Im sieben­ten Jahre als Auf­sicht­srat (seit 2019) habe ich lei­der nun erfahren, dass ich durch die neue (dop­pelte!) Frak­tions­bil­dung der AfD im Stad­trat plöt­zlich und uner­wartet (durch Los-Entscheid!) aus­geschieden bin als Auf­sicht­srat. Ich danke mein­er Frak­tion Pro Chem­nitz / Freie Sach­sen für die ver­ant­wor­tungsvolle Tätigkeit als Auf­sicht­srat! Ich wer­den alle Belange unseres Chem­nitzer The­aters aber weit­er inten­siv ver­fol­gen, jet­zt pri­vat, und außer­dem über meine Frak­tion Pro Chem­nitz /Freie Sach­sen. Sollte es irgendwelche Fra­gen ergeben, so ste­he ich Ihnen weit­er­hin gern zur Ver­fü­gung. Außer­dem bin ich sehr opti­mistisch, dass es dies für mich noch nicht war als Auf­sicht­srat im Städtis­chen The­ater Chem­nitz… Ich kann mir sehr gut vorstellen, mit­tel­fristig von mein­er Frak­tion wieder in den AR berufen zu wer­den, spätesten schon 2029?! Wir wer­den sehen…

Bitte bleiben Sie uns als Gen­er­al­in­ten­dant noch weit­er und lange erhal­ten, als Men­sch weit­er so men­schlich, und: unbe­d­ingt gesund!

 

Ihr

 

  1. Jörg List

 

Mit her­zlichen Grüßen

 

PS: Zum The­ma, dass auch Mit­glieder mein­er Fam­i­lie Kün­stler waren im Opern­haus Chem­nitz, bzw. hier gear­beit­et haben, möchte ich noch mein eigenes Engage­ment für die Zim­mer­bühne Chem­nitz nach­tra­gen. Die ZBC ist eine bere­its in 2023 von Tan­ja Krienen gegrün­dete Kleinkun­st­bühne, welche meine Frau Stef­fi und ich unter­stützen und fördern, aber –ab und zu- auch selb­st auftreten (Lesun­gen, Konz­erte, Lau­da­tio, The­ater). So auch mit meinem eige­nen Auftritt im Okto­ber als Friedrich Niet­zsche im Pro­gramm: „Also sprach Zarathus­tra — Ein Friedrich Niet­zsche-Pro­gramm zum 125. Todestag.“:

Also sprach Zarathus­tra — Friedrich Niet­zsche-Pro­gramm 125. Todestag: Tan­ja Krienen & Sepp- Dieter Jörg List; ZBC

https://youtu.be/aWqAmThWXxg