Der 5. März 2013 ist Geschichte, und zwar eine zum Teil bemerkenswerte. Selbstverständlich haben wir nicht nur zum Selbst-Erleben von so vielen wie möglich Veranstaltungen aufgerufen, sondern dies auch selbst praktiziert.
Morgendliche Routine auf dem Zentralfriedhof
Los ging’s am frühen Morgen: Das heutige Amtsblatt rühmt die hohe Teilnehmerzahl auf dem Friedhof. Gut 400, vor allem Schulklassen. Nun, diese kamen alle nicht freiwillig, was die Zahl natürlich stark relativiert.
Sicherlich wären es noch mehr Teilnehmer geworden, doch da die Linken diesmal auch angekündigt hatten, das bürgerliche Gedenken auf dem Friedhof zu blockieren (dazu unten mehr), war dieser abgesperrt, und Besuchswillige wurden an den Toren nach einer Eintrittskarte gefragt. Da es die nicht gab, wurde vielen die Teilnahme verweigert. Über den Inhalt der Ludwig’schen Ergüsse gebietet die Höflichkeit Schweigen.
Tagsüber gab es ein bißchen Programm auf dem Neumarkt (insbesondere Polit-Pfarrer Brenner bemühte sich um Aufmerksamkeit), was jedoch von den Passanten nahezu vollkommen ignoriert worden ist.
“Chemnitz nazifrei”
Richtig Bewegung kam in die Stadt mit dem linksextremen Aufmarsch von “Chemnitz nazifrei”. Inhalt war vor allem die Aufstachelung der Teilnehmer zu rechtswidrigen Blockaden der angemeldeten Demonstration der IG Chemnitzer Stadtgeschichte (fälschlich mitunter als NPD-Demonstration bezeichnet). Außerdem beklagte sich ein Agitator bitterlich über die strafrechtliche Verurteilung eines linken Gewalttäters in Dresden. Nun, in Chemnitz wissen linke Kriminelle, daß sie nichts zu befürchten haben. Dafür sorgt die SED-durchsetzte Staatsanwaltschaft mit atemberaubender Zuverlässigkeit.
Auffällig war, daß kaum einer der linksextremen Redner auf den Kundgebungen ebenso wie der lautstarken Anführer der einzelnen Blockaden einheimischen Dialekt sprach…
Die städtische Gedenkfeier auf dem Markt
Und hier wurde es dann wirklich interessant im positiven Sinne. Die Eröffnung durch Frau Ludwig haben wir verpaßt, da wir den Linksextremen bis zu Ende gelauscht hatten. Die Hauptrede durch den neuen Rektor der TU stellte einen deutlichen Qualitätssprung gegenüber früheren Veranstaltungen am gleichen Ort dar. Erstmals waren die verbrannten Chemnitzer Kinder nicht selbst schuld an ihrem Schicksal, erstmals stand eine Geschichte von Betroffenen im Mittelpunkt der Gedenkrede, die diesen Namen diesmal auch wirklich verdiente. Selbstverständlich fehlten diverse Verbeugungen vor dem Zeitgeist auch nicht, aber wir wollen ja die Erwartungen nicht gleich zu hoch schrauben. Der Opernchor sorgte mit dem Gefangenenchor aus Nabucco (“Teure Heimat, so schön, doch verloren”) für eine würdige Umrahmung. Ein etwas holpriges selbstverfaßtes Gedicht gegen Gewalt von drei Schülerinnen wirkte auch passend.
Die Vertreter der demokratischen Parteien, welche Ludwig begrüßt hatte, waren von SPD und PRO CHEMNITZ. Die CDU war nur durch gerade einmal drei (!) Mandatsträger vertreten, Linke und Grüne hielten sich fast völlig fern. Nicht verwunderlich, denn die CDU ist grundsätzlich nur dort vertreten, wo man zumindest etwas PR erreichen kann, und Linke wie Grüne waren bei den linksextremen Blockadeaktionen beschäftigt.
Normale Bürger waren der wieder massiv verbreiteten Einladung zur Teilnahme in erheblich geringerem Maße gefolgt als noch im vorigen Jahr.
Trauermarsch der IG Chemnitzer Stadtgeschichte
Gar nicht so leicht zu erreichen war der zum vierten Male stattfindende Trauermarsch, der am Südbahnhof startete. Die bewachenden Polizisten wollten uns partout nicht glauben, daß wir keine linken Störenfriede waren. Das Argument für unser spätes Kommen, daß wir vorher die zentrale Kundgebung auf dem Neumarkt besucht hatten, wurde auch nicht ernst genommen. Auch das Angebot, uns doch auf störende Gegenstände zu durchsuchen, half nicht weiter. Mit gewisser Penetranz gelang es dann doch an anderer Stelle, zum Südbahnhof zu gelangen. Wieviele Teilnahmewillige wurden wohl nicht durchgelassen?
Der von Trauermusik begleitete Schweigemarsch machte einen feierlichen, dem Anlaß angemessenen Eindruck. Allein: Weit kam er nicht. Nach nur 500 Metern war die Reichenhainer Straße verstellt von Linken und Polizei, welche auch gleich verkündete, daß es nun nicht weitergehen könne, da man die Gegner (welche offensichtlich ungestört sogar eine Bühne mitten auf der angemeldeten Demonstrationsstrecke hatten aufbauen können), dort nicht wegbringe. Unser Versuch, zwischen Veranstalter und Behörden zu vermitteln mit dem Vorschlag, den Zug über nicht blockierte Straßen umzuleiten, wurde von Polizei und Ordnungsamt (Bürgermeister Runkel nahm persönlich teil) abgelehnt, angeblich sei überall alles blockiert. Nun, da wir soeben mitten durch die Innenstadt die Veranstaltung erreicht hatten, wußten wir das besser, aber das interessierte nicht. Wie heute der Freien Presse zu entnehmen ist, hatte die Polizei die Blockierer extra nah heranrücken lassen, da wollte man sich jetzt nicht von unblockierten Straßen das Konzept zerstören lassen.
Daher wurde die Abschlußkundgebung an Ort und Stelle abgehalten. Die etwas laute und schnelle Vortragsweise der Redner beeinträchtigte die Wirkung des teilweise guten Inhaltes etwas. Trotzdem: Die einzige Veranstaltung des Chemnitzer Friedenstages, in der inhaltlich der Bogen zu den heute (mit und ohne deutsche Beteiligung) stattfindenden Kriegen und deren Opfern gespannt wurde. Was wollten eigentlich die Redner der anderen Veranstaltungen aus der Geschichte gelernt haben, wenn heutige Kriege keine Rolle am Friedenstag spielen?
Auswertung
Beurteilt man die Ereignisse in der Gesamtschau, liegt der Schluß nahe, daß die Organisatoren der Blockaden entweder im Auftrag der Verwaltung oder zumindest doch eng mit ihr zusammen arbeiteten. Geschickt: Durch den linken Aufruf zur Störung der morgendlichen Veranstaltung auf dem Hauptfriedhof (die dann weder durchgeführt noch versucht wurde), gab man der Stadt die Handhabe, mißliebige Teilnehmer generell auszusortieren.
Auch die Tatsache, daß sich die bisher unbekannten linksextremen Veranstalter von der alteingesessenen lokalen Antifa distanzierten, spricht nicht gegen diese These. Vermutlich war sich diese zu schade, für die Stadtoberen den nützlichen Idioten zu spielen.
Die abendlichen Blockierer waren perfekt über den geplanten Demonstrationsverlauf der IG Chemnitzer Stadtgeschichte informiert. Diese Information konnten sie nur von Polizei oder Ordnungsamt haben. Die Blockaden an einigen Stellen waren dann auch der offensichtlich willkommene Vorwand für Stadt und Staatsmacht, die Veranstaltung abzubrechen. Der sonst besonnene und vernünftige zuständige Mitarbeiter des Ordnungsamtes war diesmal aufgeregt und unwirsch gegen jedes sinnvolle Argument er hatte wohl seine Anweisungen.
Praktisch dürfte diese Erfahrung bedeuten, daß die Zeit der großen angemeldeten Demonstrationen für Andersdenkende wohl vorbei ist, da diese durch Behördenwillkür problemlos unterbunden werden können und eine praktische Handhabe gegen einen an dieser Stelle totalitären Staat nicht gegeben ist. Was hilft es, wenn Monate später Gerichte entscheiden, daß das Vorgehen von Stadt und Polizei rechtswidrig war?
Insgesamt sind wir als Anlaßgeber zur Entstehung des Chemnitzer Friedenstages jedoch nicht unzufrieden mit dem Erfolg, die barbarische Zerstörung unserer Stadt am 5. März 1945 vor einem schleichenden Vergessen bewahrt zu haben.