Anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls und der friedlichen Revolution mutiger und freiheitsliebender Menschen in der DDR, hielt PRO-CHEMNITZ-Stadtrat Joachim Ziems eine bewegende Rede im Chemnitzer Stadtparlament. Sichtlich gebannt folgten ihm die Stadträte der anderen Fraktionen, sowie die Gäste im Saal. Die Rede im Wortlaut […]
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
20 Jahre ist es nun schon her, dass auch in Chemnitz Aufbruchstimmung aufkam und das Volk sich mutig der SED-Unrechtsdiktatur entgegen stellte. Beim gestrigen Festakt in der Markuskirche wurde insbesondere dieser Mut der friedlichen und gewaltlosen Bürger unserer Stadt gewürdigt. Freiheit und wirkliche Demokratie waren die ursprünglichen Ziele der Demonstranten im Wendeherbst. Der Wunsch nach der deutschen Einheit kam erst später hinzu. Doch was ist aus diesem vitalen Wunsch – insbesondere nach Meinungsfreiheit und Demokratie – geworden? Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, Ihre sehr ansprechende Rede gestern Abend hat mir Mut gemacht. Sie haben 100-prozentig Recht, wenn Sie sagen, dass Demokratie anstrengend sein kann und dass man sich als Bürger entscheiden kann und positionieren muss. Wir als Ratsfraktion Pro Chemnitz nehmen dies für uns in Anspruch.
Demokratie braucht auch – wie Sie richtig sagten – Meinungsfreiheit. Was die Demokratie nicht braucht und was in meinen Augen sogar demokratiefeindlich ist, ist eine gleichgeschaltete und nach eigener Aussage tendenziöse „Freie Presse“.
In guter alter Tradition hat es unsere Heimatzeitung, die sich selbst noch bis zum 16. Dezember 89 als Tageszeitung der SED für den Bezirk Karl-Marx-Stadt bezeichnet hat, fertig gebracht – auch heute noch -, ihre Leser mit Halbwahrheiten zu füttern. Entgegen ihrer Ankündigung, alle 32 neu gewählten Stadträte vorzustellen, wurden den Lesern die neuen Stadträte von Pro Chemnitz und auch die fraktionslose Stadträtin von der NPD vorenthalten. Von einer Tageszeitung, die sich immer noch als „Freie Presse“ bezeichnet, hätte ich mir mehr Demokratieverständnis erhofft.
Vor 20 Jahren wurden freie Wahlen gefordert. Heute nimmt in Chemnitz – wie Sie gestern richtig sagten – nicht einmal oder gerade einmal fast die Hälfte der Bürger ihr Wahlrecht nicht mehr wahr. Woran mag das wohl liegen? Ich denke, die Leute haben resigniert, weil sie feststellen mussten, dass es die SED-Kader nach der Wende blitzschnell geschafft haben, die Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft wieder zu besetzen. Hier haben ausnahmsweise wiedermal die Tröge und nicht die daraus fressenden Tiere gewechselt.
Ein neues Feindbild wurde nun geschaffen: Der Rechtsradikalismus. Jeder, der nicht ins gutmenschelnde, realitäsverweigernde Bild passt — wie aktuell auch ein SPD-Mitglied namens Tilo Sarazin; und nicht zuletzt unsere Ratsfraktion PRO CHEMNITZ gehört auch mit dazu -, wird ohne Sachdiskussion in die rechte Schmuddelecke gestellt und damit gesellschaftlich und medial geächtet, zum Abschuss freigegeben und für vogelfrei erklärt.
Was mir bei der Veranstaltung gestern Abend gefehlt hat, war ein Wort an die Täter, an die Verantwortlichen und die Handlanger des SED-Unrechtsstaates. Es waren nämlich nicht „Die da oben“, sondern die, die hier damals in Karl-Marx-Stadt vor Ort waren, die, die hier die Pläne für die Internierungslager vorbereitet hatten, und die, die selbst gespitzelt haben.
Vor 20 Jahren war ich auch selbst auf der Straße und habe mit Abertausenden gegen das DDR-System demonstriert und anfangs – wie so viele – Angst gehabt. Die, die damals hinter den Fenstern standen und sich hinter den Gardinen versteckt hielten, hatten sicher auch Angst, aber aus anderem Grunde.
Seien Sie, seien wir alle froh, dass die Wende friedlich verlaufen ist.
Wie die SED- und die Stasitäter mit ihrem Gewissen, sofern sie eines haben, klarkommen, weiß ich nicht. Ich hätte mir von den Alt-SED-Genossen nur ein kleines Wort der Reue und des Bedauerns für die vielen unsäglichen Verbrechen der DDR-Diktatur erhofft.
Die mehrfach umbenannte SED sitzt leider heute sogar bundesweit wieder fest im Sattel, und es besteht die Besorgnis, dass es mit der desolaten SPD zu einer erneuten sozialistischen Einheitspartei kommen könnte. Die Signale von der designierten neuen SPD-Führung lassen das Schlimmste befürchten. Seien Sie versichert, dass wir von PRO CHEMNITZ auch dafür arbeiten, dass es nie wieder zu einer kommunistischen Diktatur auf deutschem Boden kommt.
Und so schließe ich mit Ihren Schlussworten von gestern Abend, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin: Wir sind das Volk. Und dieser Satz gilt auch noch heute.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.